Bindung von Mitarbeitenden: Theorien für die Strategieentwicklung - Teil 1

Die Frage aller Fragen in HR-Abteilungen dieser Zeit lautet: Wie können wir Mitarbeitende möglichst langfristig an unser Unternehmen binden?

Die gute Nachricht dabei ist, dass sich bereits einige Fachpersonen zu diesem Thema Gedanken gemacht haben und Erkenntnisse aus der Psychologie, Soziologie und der wirtschaftlichen Praxis in hilfreiche Theorien einfließen haben lassen. Denn eines ist klar: Die allumfassende Musterformel für jedes Unternehmen gibt es nicht, hier gilt es ganz individuell eine eigene Strategie aus ausgewählten Modellen zu entwickeln bzw. anzupassen. Ganz unter dem Gesichtspunkt, dass nichts stetiger ist als der Wandel. Welche Theorien bei der Entwicklung hilfreich sein könnten, habe ich in einer Blogpost-Serie für euch zum Thema gemacht.

Soziale Austauschtheorie

Diese Theorie zeigt auf, unter welchen Umständen Mitarbeitende sich ihrem Unternehmen wie stark gebunden fühlen. Die Beziehung zwischen Mitarbeitenden und einem Unternehmen wird hiernach als sozialer Austausch betrachtet. In sozialen Interaktionen strebten Menschen nach positiven Belohnungen (Ergebnissen) mit gleichsam möglichst klein ausfallenden (Aufwands-)Kosten. Der Soziologe Peter M. Blau kommentierte (1964, S. 91) die Theorie von George C. Homans (1961): "Sozialer Austausch, so wie der Begriff hier verwendet wird, bezieht sich auf freiwillige Handlungen von Individuen, die durch Gegenleistungen motiviert sind, die sie erwartungsgemäß einbringen sollen und typischerweise auch einbringen."

Bindung durch Wertschätzung

Dies klingt sehr abstrakt. Jedoch bedeutet es im Kern, dass Menschen Loyalität zu einem Unternehmen und bestenfalls auch eine emotionale Bindung nur dann entwickeln, wenn sie durch Gegenleistungen, in diesem Fall Wertschätzung für ihre Arbeit vermittelt bekommen und ihren Bedürfnissen (z. B. durch Benefits oder eine flexible Arbeitszeitregelung) Rechnung getragen wird. Die Wechselseitigkeit erhält der Mitarbeitende wiederum durch die entsprechende Arbeitsleistung gegenüber dem Arbeitgebenden.

Man kann sagen, dass neben dem offiziellen Arbeitsvertrag die soziale Austauschtheorie als eine Art unausgesprochener "Beziehungsvertrag" angesehen werden kann, der Erwartungen bezüglich Anerkennung, Belohnungen und gegenseitige Unterstützung beinhaltet. Wenn Arbeitgebende die Erwartungen aus Sicht von Mitarbeitenden erfüllen, tendieren Mitarbeitende eher dazu, sich dem Unternehmen zu obligieren und sich längerfristig an es zu binden.

Alles in Balance

Trotzdem handelt es sich immer noch um einen "Vertrag" auf Gegenseitigkeit. Auf beiden Seiten sollte ein Verhältnis zwischen positivem Ergebnis und dem Input bzw. der Kosten vorhanden sein, welches als akzeptabel bezeichnet werden kann. Andernfalls ist es nur logisch, wenn sich beide Wege wieder trennten, wenn keine Lösung gefunden würde, die für beide Seiten in Ordnung wäre.

Vier Bindungstypen

Nach der Austauschtheorie können vier Typen von Mitarbeitenden im Hinblick auf ihre Bindung und ihre Zufriedenheit zum Unternehmen (Stock-Homburg, 2013) unterschieden werden:

Bindungstyp der Mitarbeitenden Vergleichsbewertungen
unecht Gebundene AB > CL alt sowie AB alt < CL
nachhaltig Gebundene AB > CL alt sowie AB > CL
zum Absprung Bereite AB < CL alt sowie AB < CL
Job-Hopper AB < CL alt sowie AB > CL

Zwei Vergleichsmaßstäbe zieht Häußler (2011) dabei heran, um die Austauschbeziehung (AB/ Anmerkung von der Autorin: Bei Häußler "E".) zu bewerten. Das Vergleichslevel "Comparison Level (CL)" und das alternative Verlgeichslevel "Comparison Level of Alternatives (CL alt)".

Mitarbeitende vergleichen die Summe der Vorerfahrungen bei anderen Arbeitgebenden mit der aktuellen Arbeitsbeziehung. Sie bewerten somit die Austauschbeziehung und entwickeln daraus ein spezifisches Anspruchsniveau gegenüber dem derzeitigen Unternehmen. Werden die Erwartungen mehr als erfüllt, zeigen sich Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft (AB > CL). Doch spielen auch die externen Alternativen (CL alt) in Bezug auf die Beständigkeit der Beziehung eine Rolle, da sie ein Vergleichsniveau ergeben. Die Beständigkeit der aktuellen Arbeitsbeziehung kann daher auch von den alternativen Beziehungen von außen beeinflusst werden. Diese Alternativbeziehungen können dabei schon bestehen oder potentiell möglich sein.

Folgende Grafik gibt dir hiervon einen Überblick:

Nachhaltig Gebundene weisen eine hohe Bindung und Zufriedenheit in der aktuellen Austauschbeziehung auf. Für sie wiegen die Ergebnisse aus dieser Beziehung höher als die der beiden Vergleichsniveaus.

Bei den Absprung-Bereiten sind die Bindung sowie die Zufriedenheit in der Austauschbeziehung sehr gering. Die Ergebnisse der Verleichsniveaus haben dagegen einen höheren Stellenwert.

Unecht Gebundene sind unzufrieden mit der Austauschbeziehung, besitzen aber nur wenige externe Alternativen, um die Beziehung tatsächlich zu beenden.

Job-Hopper sind zwar mit der aktuellen Austauschbeziehung zufrieden, haben allerdings extern zu viele Alternativen, die in ihren Ergebnissen sehr reizvoll sind.

Fazit

Die Theorie macht deutlich, unter welchen Austauschbedingungen Mitarbeitende sich eher verbunden mit einem Unternehmen fühlen und unter welchen Umständen sie einen Absprung (tatsächlich) planen könnten. Die Pflege eines direkten Kontakts zu den Mitarbeitenden, um ihre Stimmung und Bedürfnisse zu erfahren, ist daher unabdingbar für das Abgleichen der Bindungsparameter. Außerdem macht die Bewertung der Vergleichsmaßstäbe deutlich, dass Personalverantwortliche stets einen Blick auf die Konkurrenz und damit auf die alternativen Arbeitgebenden richten sollten (Angebot der Belohnung).

Bild: Brooke Cable / unsplash.com

Kalender Veröffentlicht am 03.02.2024 und zuletzt geändert am 10.04.2024.

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